Konflikte zwischen touristischen Ansprüchen an »schönen« Landschaften und den Verfügungsrechten der EinwohnerInnen über Land und Naturressourcen sind eigentlich ein alter Hut. Seit Tourismus als Instrument zur Finanzierung von Naturparks in den Ländern der Dritten Welt propagiert wird, häufen sich jedoch die Konflikte.
In den Nationalparks in Ost- und Südostafrika wurde vielen Nomaden der Zugang zu Weideland und Wasserstellen untersagt: Mit dem Argument, die Tierwelt in den Safariparks sei als touristische Attraktion zu erhalten, wurden manche gar gewaltsam vertrieben. Nicht anders an der Küste oder in Regenwaldgebieten: Gewaltsame Vertreibungen von Fischerfamilien entlang der indischen Küste ruinierten deren Erwerbsmöglichkeiten. In Costa Rica wurde Land der gemeinschaftlichen Nutzung dörflicher Gemeinden entzogen, indem Regenwald aufgekauft und zu privaten Schutzgebieten deklariert wurde. Zu Golfanlagen umgestaltete Reisfelder in Thailand oder die ausgedehnten Ressorts des all-inclusive Segments auf den Malediven, in der Dominikanischen Republik oder in Brasilien, schließen in aller Regel einen Verlust von Land(rechten) für die einheimische Bevölkerung ein.
Der Tourismus kann auf verschiedenste Art daran beteiligt sein, dass die einheimische Bevölkerung die Rechte über das Land verliert. In Thailand sind schlechte Wasserqualität durch eine Belastung mit Unkrautvernichtungsmitteln (die Felder können mit dem pestizidbelasteten Wasser nicht mehr bewässert werden), mangelhafte Trinkwasserversorgung sowie steigende Grundstückspreise die direkten Folgen ausgedehnter Hotelanlagen und Golfplätze. Betroffen sind vor allem BäuerInnen und ihre Familien. Nicht wenige sahen sich gezwungen, ihre für den Reisanbau nicht länger tauglichen Felder zu verkaufen. Als einzige Alternative zu dieser indirekten Enteignung blieb manchen BäuerInnen nur, als Caddies auf Golfplätzen zu jobben, genau dort, wo sie früher ihren Reis angebaut hatten.
Der Fischreichtum der Küstengewässer in Prainha do Canto Verde in Brasilien wird laut Berichten des Wall Street Journals zunehmend von ausländischen, hochtechnisierten Kuttern abgefischt. Viele traditionelle Fischer mussten ihre Tätigkeit wegen der mageren Fänge aufgeben, einige waren gezwungen, bei der Suche nach einer Alternative ihr Land zu verkaufen. Wegen der teils ungeregelten Landbesitzverhältnisse haben die Immobilienhändler hier leichtes Spiel – so geht Land in ausländischen Besitz für touristische Projekte über. Es ist die labile ökonomische Situation der Fischer, verursacht durch schwindende Fischbestände, die ein unkontrolliertes Anwachsen des Tourismus erleichtert, der seinerseits der Bevölkerung bis auf ein paar schlecht bezahlte Jobs kaum Vorteile bringt. Wenn der lokale Wirtschaftssektor erst einmal geschwächt ist, sind die Menschen den Folgen von Tourismuserschließungen um so mehr ausgeliefert.
Die Gründe für den Verlust an Land(nutzungs)rechten sind sehr vielfältig und die Prozesse sehr komplex. Nicht immer ist der Tourismus der alleinige Grund, verschärft aber oftmals, wie in Brasilien, bereits existente Konflikte. In anderen Fällen ist er alleiniger Verursacher: Jedes Jahr werden weltweit 5.000 Hektar Land in Golfplätze verwandelt. Der Raumanspruch von Hotelkomplexen und Bungalowsiedlungen mit Yachthafen, Golf- und Tennisplätzen ist nicht allein im Süden ein Problem. Weitläufige Tourismuskomplexe, Zweitwohnungen und Wintersportanlagen beanspruchen auch in den Alpen oder entlang der Mittelmeerküsten viel Land. Hinzu kommt noch der Flächenverbrauch solcher Feriensiedlungen für Wasser- und Energiegewinnung sowie Abwasser und Müllentsorgung.
Die Fischer des Archipels Bazaruto vor der Küste Mosambiks verloren teilweise den Zugang zu Wasser und zu Land, seit Naturreservate eingerichtet und von der Regierung Mosambiks Konzessionen an Tourismusprojekte vergeben wurden. Für die zu 70 Prozent von der Artesanalfischerei lebende Bevölkerung sind 30.000 Hektar seit 2001 nicht mehr zugänglich. Mosambik musste sich gemäß der Auflagen des Strukturanpassungsprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) für ausländische Investoren öffnen – einer touristischen Nutzung auch der Naturreservate stehen damit Tür und Tore offen. Entwicklungspläne wie diese haben zum Ziel, Schuldenerlass unter der Auflage von Naturschutzmaßnahmen zu realisieren und zugleich Tourismus als neue Einkommensquelle zu propagieren. Dies kann zum Verlust an örtlichen Verfügungsrechten über Land und zu einer weiteren Verarmung der lokalen Bevölkerung führen, wenn die ansässigen Gemeinden - wie im Falle Bazaruto - die Naturreservate nicht mehr zum Fischfang nutzen dürfen.
In Südafrika und Namibia nimmt der Anteil an privaten Wildtierfarmen zu, auch das Management wird privaten Unternehmen übergeben. Der Marakele Park setzt sich inzwischen aus drei Teilen zusammen: dem ursprünglichen Park in den Waterberg Mountains, dem Welgevonden Private Game Reserve und dem privaten Marakele Contractual Park. Der Großunternehmer Vlissingen kaufte Farmen für den doppelten Preis des Markwertes, um das Land dann zu einem privaten Wildtierpark der Marakele Ltd. (Management Company) zu erklären. Der Presse gegenüber äußerte sich der Großunternehmer Vlissingen gutherzig: »I was looking to give something back to Africa. I want to do something that is good for the planet and for the people«. Die lokale Bevölkerung oder auch die Gemeindeverwaltung haben schlicht nicht die finanziellen Mittel, das Farmland aufzukaufen; die Rechte an dem veräußerten Land liegen nun ausschließlich in Vlissingens Hand – und damit auch weitgehend die Entscheidungen über die touristische Nutzung des Parks. Nur wenn der Staat diesen überhöhten Preis plus Inflation an ihn zahlt, kann das Land von der öffentlichen Hand zurückgekauft werden. Es bestehen Pläne, wonach ausschließlich die Marakele Ltd. für die Sicherung aller Grenzen des Marakelepark zuständig ist – und damit kontrolliert, wer Zugang zum gesamten Park erhält.
Landrechte sind in peripheren Regionen mit nicht-westlichen Gesellschaftsstrukturen weniger über exklusive private Besitztitel definiert und statt dessen oftmals über traditionelle und kollektive Zugangsrechte geregelt: Mehrere Akteure nutzen das Land u.U. zu unterschiedlichen Zeiten auf verschiedene Art, etwa als Bienenweide, zum Sammeln von Feuerholz oder wildwachsenden Nahrungspflanzen oder für den Verkauf medizinaler Pflanzenteile, für Viehweide und eine selektive Entnahme von Baumaterial für den Hausbau usw. Die derzeitige touristische Erschließung attraktiver Landschaften wird von einem Prozess der Transformation ökonomisch-politischer Regelungen über die lokal praktizierten Rechte des Zugangs und der Kontrolle über das Land begleitet: Indem privatwirtschaftliche Interessen mit exklusiven Verfügungsrechten ausgestattet werden (meistens handelt es sich um veräußerbare Landbesitztitel), während häufig keine angemessenen Entschädigungen oder alternative Einkommensquellen für die ehemaligen Nutznießer des Bodens garantiert werden können, kommt es für die lokalen Gemeinden zu einem Verlust an gesellschaftlichem Einfluss und damit an Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der lokalen Landnutzung. Da Land als Träger der natürlichen Ressourcen gerade in den peripheren Räumen unverzichtbare, da nicht ersetzbare Produktionsgrundlage ist, kann die touristisch initiierte Transformation der Landrechte auf lange Sicht enorme soziale Folgen zeitigen.
Die Beispiele zeigen, wie komplex die Prozesse sind, die durch den Tourismus in Gang gesetzt werden können und – manchmal erst über Umwege – den Zugang zu Land versperren. Vom Landverbrauch besonders hart betroffen sind Menschen, die von volkswirtschaftlich nicht erfassten Tätigkeiten zur Produktion des Eigenbedarfs wie traditioneller Viehhaltung und Ackerbau oder Sammelwirtschaft leben. Diese machen aber in einigen Regionen bis zu 60 Prozent des Lebensunterhaltes insbesondere von indigenen oder marginalisierten Minderheiten aus. Gerade in den armen Ländern ohne funktionierende staatliche Sozialversicherungen ist der informelle Sektor für die Ernährungssicherung und Gesundheitsversorgung unverzichtbar. Jede Beschränkung des Zugangs zu Land bedeutet für diese Menschen ein konkretes Existenzrisiko.
Wieder eines dieser Schlagwörter, die man in so vielen Debatten zu hören und zu lesen bekommt. Warum wird was wie privatisiert, und was hat das für Folgen? Was hat Privatisierung mit Tourismus zu tun? (Unterstrichene Begriffe sind am Textende erläutert)
Grundsätzlich bedeutet Privatisierung, dass ehemals öffentliche Güter oder Dienstleistungen in privaten Besitz übergehen. Zum einen werden mit der Privatisierung von Land und öffentlichen Gütern (Luft, Wasser, Flora, Fauna) auch die Zugangs- und Nutzungsrechte als veräußerbare Rechte definiert. Der Besitzer kann bestimmen, wer Zugang hat und wer nicht (private Hotelstrände sind oft nur für TouristInnen, nicht aber für die lokalen Fischer zugänglich) oder wie viel dieser kostet. Auch werden öffentliche Dienstleistungen, die bislang meist von den Kommunen bereitgestellt werden, (z.B. Strom- und Wasserversorgung, Post und Telekommunikation, öffentliche Verkehrsmittel, Gesundheitsdienste und Bildung) an Unternehmen übergeben. »Privatisierung basiert auf der wirtschaftsliberalen Überzeugung, dass der Anteil des öffentlichen Sektors zugunsten der privaten Wirtschaft zurückgedrängt werden müsse. Privatisierung ist daher meistens mit weiteren Formen der Entstaatlichung, Deregulierung etc. und dem Abbau öffentlicher Verantwortung verbunden.« (Schubert/Klein, Das Politiklexikon, Bonn 2001)
Aus Deutschland kennen wir beispielsweise die Privatisierung von Post und Bahn oder auch des Energiesektors. Vielerorts ist die Privatisierung der Wasserversorgung geplant oder durchgesetzt worden. In diesem Falle werden vormals öffentliche Versorgungsleistungen, die in aller Regel subventioniert und für alle zugänglich waren, über private Anbieter auf dem Markt angeboten. Vormals staatliche Unternehmen können privatisiert werden, um zum Beispiel die Staatskasse aufzubessern. Dem liegt auch die Vorstellung zugrunde, dass private Unternehmen effizienter funktionieren als öffentliche. Auch mit dem Tourismus hat das einiges zu tun. In vielen Drittweltländern werden Nutzungsrechte an touristischen Attraktionen privatisiert – ein prominentes Beispiel ist Machu Picchu in Peru. Land für Hotels, Golfplätze und Nationalparks wird ebenso privatisiert wie Infrastruktur, also z.B. Straßen, Wasser- und Stromversorgung.
Privatisierung geht nicht immer so vonstatten, dass öffentliche Unternehmen in Aktiengesellschaften umgewandelt werden, wie wir das aus Deutschland kennen. Privatisierung kann auch bedeuten, dass Ländereien den rechtmäßigen Eigentümern einfach weggenommen werden. Das kann durch illegalen Hotelbau geschehen oder auch ganz offiziell von staatlicher Seite. Gerade in Drittweltländern ist es leider keine Seltenheit, dass über die Köpfe der betroffenen AnwohnerInnen hinweg entschieden wird, ohne diese überhaupt zu informieren, geschweige denn, Partizipation zu ermöglichen. Häufig geht es dabei um touristische Nutzung. Beispiele sind Kuelap in Peru und ein vorerst gescheitertes Tourismusprojekt auf Sansibar, das die Umsiedlung von 20.000 Personen erzwungen hätte. Oftmals wird die Situation durch umstrittene Eigentumsverhältnisse noch komplizierter. Es gibt häufig Konflikte zwischen kollektiven und individuellen Rechten. Es kommt vor, dass Familien seit Generationen Land bewohnen, aber keinen offiziellen Eigentumstitel vorweisen können.
Ganz oben auf der Liste der Gründe für Privatisierung stehen Profiterwartungen. Oft erhoffen sich Regierungen Deviseneinnahmen durch Tourismus. Zunehmend werden Privatisierungen durch internationale Organisationen und Wirtschaftstheorien legitimiert. Der Glaube, dass privat gleich effizient ist, hat sich in den letzten 20 Jahren hartnäckig gehalten und wird von PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und internationalen Organisationen, allen voran Weltbank und IWF, gleichermaßen vertreten. Die Strukturanpassungsprogramme der 1980er Jahre zwangen viele Länder zur Privatisierung und Liberalisierung verschiedener Wirtschaftsbereiche als Voraussetzung für wichtige Kredite. Heute sollen auf demselben Wege mit dem HIPC-Programm (High Indebted Poor Countries) internationale Schulden reduziert werden. Erzwungene Privatisierung hat jedoch keineswegs nur positive Auswirkungen.
Privatisierung und Liberalisierung werden von internationalen Organisationen und Entwicklungsagenturen – allen voran die Welthandelsorganisation (WTO), die Weltbank und der internationale Währungsfonds (IWF) - als Entwicklungsstrategien empfohlen. Doch die Hoffnungen auf Deviseneinnahmen durch den Tourismus erfüllen sich oftmals nicht. Im Gegenteil führt Tourismus oft zu einem Devisenabfluss, besonders wenn die Besitzer von Hotelanlagen ausländische Unternehmen sind. Häufig sorgen Regierungen in der Hoffnung auf Deviseneinnahmen für ein »positives Investitionsklima«, was oft Steuerfreiheit und die Bereitstellung öffentlich finanzierter Infrastruktur beinhaltet. Auch die versprochene Effizienzsteigerung stellt sich oft nicht ein: eine Studie (SAPRI) über die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Privatisierung und Liberalisierung in ausgewählten Ländern ergab keine Hinweise darauf, dass die Eigentumsform den Effizienzgrad eines Unternehmens bestimmt.
Einheimische profitieren häufig nicht von Privatisierungen. Nicht einmal indirekt: wenn die Gewinne privaten Unternehmen zufließen, die Steuervergünstigungen genießen und so dem »bereisten« Land nichts zurückgeben, wird auch die Staatskasse nicht voller. Die direkten Konsequenzen können sehr bitter sein, oft kommt es sogar zu Vertreibungen und Enteignungen. Privatisierte Dienstleistungen werden im Vergleich zur öffentlichen Bereitstellung der Güter häufig teurer. Wird eine Dienstleistung privatisiert, steht nicht mehr die angemessene Versorgung aller im Vordergrund, sondern ein möglichst hoher Gewinn. Die Privatisierung des Stromsektors führte z.B. in El Salvador zu einem massiven und steilen Preisanstieg, der vor allem die Kleinverbraucher betraf. Diese mussten häufig auf andere Energieträger umsteigen, z.B. Holz, was wiederum eine Mehrbelastung für viele Frauen (Sammeln von Feuerholz) und für die Umwelt (bei ohnehin schon starker Abholzung) bedeutete.
Von manchen Orten werden die BewohnerInnen ausgeschlossen – so zum Beispiel von privaten Stränden, zu denen nur TouristInnen Zugang haben. Nicht selten verlieren sie dadurch ihren Lebensunterhalt. In Goa z.B. haben Palmweinzapfer und Fischer mancherorts keinen Zugang mehr zum Strand. In Thailand macht Wasserknappheit den Reisanbau unmöglich. In Kuelap in Peru sollen Landwirte von ihrem Land vertrieben werden, um Platz für archäologische Schutzstätten zu machen. In Mosambik mussten 20.000 Personen das Gebiet eines zukünftigen Nationalparks an der Grenze zu Südafrika verlassen - als Entschädigung wurden ihnen Jobs angeboten, die nicht einmal ausreichend vorhanden waren.
Privatisierung bedeutet auch einen Verlust an politischem Handlungsspielraum. Durch den touristischen Ressourcenverbrauch und durch Privatbesitz an touristischen »Waren« verschärfen sich oft Verteilungskonflikte vor Ort. Andere Entwicklungspfade werden quasi ausgeschlossen: es gibt nur noch ein Konzept für alle.
Liberalisierung bezeichnet im Allgemeinen: »Die Rücknahme oder Abschwächung bisher bestehender gesetzlicher Regelungen oder anderweitiger Verordnungen und Verhaltensvorschriften. Spez.: die Rücknahme staatlicher Auflagen, Be- und Einschränkungen in Bezug auf die wirtschaftliche Betätigung, die Herstellung oder den Handel mit Gütern und Dienstleistungen, nach außen z.B. durch den Abbau von Zöllen, Mengen- oder anderen Handelsbeschränkungen.« (Aus: Schubert/Klein, Das Politiklexikon, Bonn 2001). Liberalisierung ist mit Privatisierung eng verbunden. Beide sind Bestandteile eines Politikprogramms, das sowohl von der Welthandelsorganisation und ihren Mitgliedsstaaten vorangetrieben als auch von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds ihren Schuldnerländern empfohlen bzw. vorgeschrieben wird. Um einen von staatlichem Einfluss unbeeinflussten Handel mit Gütern und Dienstleistungen durchzusetzen, wird oft die Veräußerung staatlicher Betriebe und Nutzungsrechte verlangt. Umgekehrt kann man in den meisten Fällen davon ausgehen, dass auf Privatisierung Liberalisierung folgt. Damit ist untrennbar die Anwesenheit ausländischer Investoren verbunden. Der Tourismus wird vor allem von der fortschreitenden Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen (unter dem GATS) betroffen sein.
Kaum ein Begriff hat im entwicklungspolitischen Diskurs der letzten Jahre einen solchen Aufschwung erlebt wie »Partizipation«. Gemeint ist die aktive Miteinbeziehung Betroffener in die Projektplanung. Leider bleibt »Partizipation« meist eine leere Worthülse, die in keinem Strategiepapier fehlen darf, aus der aber wenig folgt. Wie viele Beispiele zeigen, werden Betroffene häufig nicht einmal informiert – von der Möglichkeit zur Mitgestaltung ganz zu schweigen. Im Zweifelsfall sitzen Regierungen, Konzerne und internationale Organisationen am längeren Hebel. Sie sind auf die Mitarbeit der Betroffenen nicht angewiesen, während die Betroffenen auf die Bereitschaft der »Großen« angewiesen sind, sie zu hören oder ihnen überhaupt erst die notwendigen Informationen zukommen zu lassen. Daher sind die Voraussetzungen für Partizipation oft gar nicht gegeben.
Partizipation wird so häufig zum schmückenden Beiwerk und kann jederzeit abgebrochen werden, wenn es unbequem wird.
Das größte Tourismusprojekt Ostafrikas wird vorerst nicht umgesetzt werden. Die Regierung Sansibars hatte im September 1997 beschlossen, der East African Development Company (EADC) ein 57 Quadratmeter großes Gebiet für 49 Jahre zu verpachten – zu einem symbolischen Betrag von einem US-Dollar jährlich. Die EinwohnerInnen der Nungwi-Halbinsel im Norden Sansibars erfuhren von dem Projekt erst aus der örtlichen Presse, als die Bebauungspläne bereits offiziell abgesegnet worden waren. Die von der EADC vorgelegte Landkarte für das vier Milliarden US-Dollar schwere Projekt enthielt 16 Luxushotels, 100 Villen, einen Yachthafen, Golfplätze und Sportstätten, aber keine Dörfer mehr. Für die 20.000 EinwohnerInnen war kein Platz vorgesehen. Auch über Wasserversorgungs-, Abwasser- und Abfallsysteme hatte sich niemand Gedanken gemacht. Neben Widerstand durch die örtliche Bevölkerung haben wohl Informationen über das Vorstrafenregister der EADC-Direktoren wegen Betrugs sowie fehlende Investitionsmittel den Ausschlag dafür gegeben, dass die Projekte auf Eis liegen. Aufatmen ist allerdings noch nicht angesagt: noch ist es möglich, dass das umstrittene Projekt von einer anderen Firma umgesetzt wird. (Quellen: Rote Karte S.31; akte-Kurznachrichten 4/1999, S.5)
Ein beachtlicher Teil der Deviseneinkünfte, die in Tourismus empfangenden Ländern entstehen, fließen an die Tourismus entsendenden Länder zurück, häufig in Form von Profiten, Einkommen und Lizenzgebühren, aber auch durch Kreditrückzahlungen, den Import von Ausstattung (Geräten, Apparaten, Einrichtungsgegenständen etc.), Material, Kapital und Konsumgütern, um die Bedürfnisse ausländischer TouristInnen zu befriedigen, sowie Werbungskosten in den Entsendeländern. Durchschnittlich gehen kleineren Ländern zwischen 40 und 50 Prozent der Bruttoeinkünfte durch Tourismus verloren, für reichere Schwellenländer etwa zehn bis 20 Prozent (Quelle: UNCTAD).
Tourismus fungiert immer wieder auch als Türöffner für ganz andere Aktivitäten, durch die ein Land oder eine Gemeinde erheblichen Schaden nehmen kann. Gerade dem als »Ökotourismus« gepriesenen Naturtourismus in Gebiete, die längst nicht so unbewohnt oder ungenutzt sind, wie die Terminologie von Wildnis und Abenteuer Glauben macht, folgen gerne Großprojekte, die Menschen in ihren Nutzungsrechten einschränken.
Ein beliebtes Beispiel ist der illegale Holzeinschlag infolge von Straßenbauprojekten, die ursprünglich als Bestandteil der Nationalparkinfrastruktur den Tourismus fördern sollten. Die Firma Timsales Ltd. etwa hat Anfang der 90er Jahre auf der Suche nach Teakholz den Bergregenwald entlang der Zufahrtsstraßen zu den Eingangstoren des Mount Elgon Nationalparks im Westen Kenias geschädigt, nachdem einige Eingangstore wegen ausbleibender Touristenströme und hoher Unterhaltskosten geschlossen wurden. In Ruanda argumentieren die Befürworter eines Straßenbauprojektes von Gitarama nach Gisenyi mit der Vernetzung von touristischen Attraktionen im Norden und Süden des Landes. Die Bauern in der ohnehin dicht besiedelten Region mit Farmgrößen unter einem Hektar dürften den Verlust von Land entlang der neuen Trasse kaum verkraften – die Entschädigungen sind mager und ernsthafte alternative Einkommensmöglichkeiten durch den Tourismus für die meisten völlig illusorisch.
Auch Minengeschäfte profitieren gelegentlich von touristischer Infrastruktur. Ein aktuelles Beispiel einer unliebsamen Verquickung mit Tourismus macht jüngst der Diamantenabbau. Die Firma de Beer, die Konzessionen zur Diamantenförderung im Central Kalahari Game Reserve erhielt, ist jetzt auch am Bau eines Hotels beteiligt – die Zufahrtstraßen dienen Tourismus und Diamantenförderung gleichermaßen. Die in den letzten Jahren forcierte Vertreibung von 20.000 Gana und Gwi aus dem Central Kalahari Game Reserve steht offensichtlich mit der Konzessionsvergabe in Zusammenhang. Unter dem Vorwand des Naturschutzes, hinter dem Fachleute jedoch handfeste Interessen der Diamantenabbau- und Tourismusindustrie sehen, wurde den seit Jahrzehnten immer wieder bedrängten Buschleuten im Jahr 2002 das Jagen im Schutzgebiet definitiv untersagt und die Wasserversorgung gekappt, um sie zu vertreiben. Vergehen gegen die neuen Vorschriften werden streng geahndet: Im Mai 2004 wurden wieder drei Jäger wegen illegaler Jagd verhaftet.
Auch die Biopiraterie benutzt touristische Kanäle – die Einreise von ForscherInnen etwa, die in Projekten der Bioprospektierung tätig sind, erfolgt gewöhnlich mit Touristenvisa (Pleumarom 1999). Der Export von Saatgut und Pflanzen aus dem Süden in Botanische Gärten und Genbanken fand schon in vergangener Zeit über touristische Kanäle statt. Doch es gibt auch Beispiele aus neuerer Zeit: So haben die TeilnehmerInnen von Frontier Tours während ihrer Expeditionen nach Tansania, Uganda und Mosambik Pflanzen gesammelt, die zur Bestimmung an mehr als 40 Institutionen weltweit geschickt wurden, unter anderem an Kew Royal Botanical Gardens, das Natural History Museum und an Missouri Botanical Gardens. Bekanntlich verlieren die Länder des Südens aufgrund von Patentierung und pharmakologischer oder agroindustrieller Nutzung biologischer Ressourcen durch ausländische Unternehmen enorme Einkommenspotenziale (Pleumarom 2001).
Zu den neuerlichen Entwicklungen im Tourismus gehört die Einrichtung so genannter Eco-Parks in bislang wenig erschlossenen und nicht-naturgeschützten Gebieten. In Bangladesch ist derzeit ein Eco-Park für 2 Millionen Dollar in Planung, der in einem von den Khasi und Garo bewohnten Waldgebiet errichtet werden soll. Die Tourismusbehörde propagiert mit dem Projekt einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung eines der biologisch reichhaltigsten Wälder des Landes. Allerdings setzten die Planer die Vertreibung der hier lebenden 1000 Khasi und Garo Bewohner für den Ausbau der ökotouristischen Infrastruktur voraus. Gerechtfertigt wird dieses Vorgehen, indem man den Adivasi-Gruppen eine Gefährdung der Waldbestände nachgesagt und ihren Aufenthalt für illegal erklärt - obwohl sie nachweislich seit 1974 Landsteuern bezahlen. Indessen verschweigt die Planung, dass 70 Prozent der Projektgelder auf den Straßenbau und damit der Rodung von Teilen des Waldes für den Eco-Park entfallen.
Die Komforttouristen in den Rocky Mountains sind so zahlreich und der Raum, den sie beanspruchen, so ausgedehnt, dass es auch hier zu Kämpfen mit örtlichen Landwirten, Ranchern und Holzfällern kam. Der Blick auf die Spanish Peaks nördlich des Yellowstone Nationalparks in den USA gilt als spektakulär und der Pioneer Mountain Club garantiert seinen Mitgliedern diese exklusive Aussicht. Allerdings müssen sie für die Mitgliedschaft im Klub ein Vermögen von drei Millionen Dollar nachweisen, dazu kommen eine Aufnahmegebühr von 250.000 und eine Jahresgebühr von 16.000 Dollar. Nicht jeder kann oder soll es sich leisten können, den Anblick dessen zu genießen, was von der Schönheit der Landschaft des Amerikanischen Westens übrig geblieben ist. In einem Hirtenbrief wurde vor der demographischen Veränderung der Region gewarnt: »Was wir mit der neuen Entwicklung riskieren, ist, einen Themenpark Alternative Realität für diejenigen aufzubauen, die sich den Eintritt leisten können. Um diesen Themenpark in den Rocky Mountains herum wird eine wachsende Pufferzone für die arbeitenden Armen entstehen.« (zit. nach Rifkin 2000) Während die Existenz der Rancher und Holzfäller davon abhängt, die natürlichen Ressourcen zu bewirtschaften, möchten die Komforttouristen die Natur am liebsten unberührt lassen.
Die Bewohner der Oase Tozeur in Tunesien leben vom Anbau der Dattelpalme. Seit die Oase als Alternative zum überlasteten Küstentourismus von den Tourismusmanagern entdeckt wurde, Hotels gebaut und neuerlich gar Golfplätze angelegt werden, geraten die Dattelbauern in Existenznot. Denn das zuvor gemeinschaftlich genutzte und unter den Dattelbauern aufgeteilte Wasser aus den 200 Quellen ist knapp geworden. Nun kostet die Bewässerung eines Palmenhains im Jahr 150 Euro pro Hektar – für viele ist nicht mehr erschwinglich, was ehemals gemeinschaftlicher Besitz war. Das Golfspiel unter Palmen nutzt allein einer kleinen Minderheit von Investoren. Die Jobs in den Hotels, von der sich die Jugend ein Einkommen erhoffte, sind begrenzt und meist saisonal. Der Einbruch des Tourismus nach dem 11.9. hat die prekären Arbeitsbedingungen noch verschlimmert (Llena 2004).
Mit der Privatisierung des Wassers wird die Verteilung dieses lebenswichtigen Gutes zunehmend reinen Profitinteressen unterstellt und durch Marktpreise geregelt. Auch in Ägypten wird Wasser aus den Brunnen in den neuerlich touristisch erschlossenen Oasen an Meistbietende verkauft (ARTE Sendung 2003).
...mit dem Wasser, das ein Golfplatz auf den Philippinen verbraucht, rund 65 Hektar fruchtbares Ackerland bewässert werden können oder 15.000 EinwohnerInnen in der Hauptstadt Manila mit sauberem Trinkwasser versorgt werden können oder sogar 60.000 DorfbewohnerInnen am Land mit sauberem Trinkwasser versorgt werden können?
...ein Luxushotel (etwa 420 Betten) rund 250.000 Liter Wasser für Swimmingpool, Rasenfläche und Wasserversorgung der Gäste verbraucht, das sind ca. 600 Liter Wasser pro TouristIn am Tag?
...ein Hotelgast aus einem Industrieland im Urlaub im Durchschnitt ca. 400-600 Liter Wasser am Tag verbraucht, zu Hause zwischen 150-200 Liter Wasser? Etwa 1,1 Milliarden Menschen in 80 Ländern müssen mit weniger als 20 Liter Wasser auskommen.
...20 Prozent der Weltbevölkerung, nämlich die BewohnerInnen der Industriestaaten, 80 Prozent der Ressourcen weltweit konsumieren?
Leergezapfte oder verschmutzte fossile Grundwasserreserven gefährden die Wasserversorgung insbesondere in Trockengebieten und auf Inseln. Die Süßwasserreserven sind hier besonders knapp und die Wachstumsprognosen des Tourismus für die künftige Versorgung oft untragbar. Die Pipelines vom Nil bis in die touristischen Hochburgen an die Küste des Roten Meeres sind steuerfinanziert. Die Kosten dieser aufwändigen Wasserversorgung der Hotels werden kollektiviert – indessen lässt die Wasserversorgung für viele ÄgypterInnen zu wünschen übrig. In Tunesien fehlt den Landwirten das Wasser, das aus dem Hinterland in die Küstenhotels gepumpt wird. Viele Felder trockneten aus und mussten aufgegeben werden.
Auf Sansibar wird in manchen Hotelanlagen bis 2.000 l Wasser pro Tag und TouristIn verbraucht – der durchschnittliche Verbrauch pro EinwohnerIn auf Sansibar und südlich der Sahara liegt bei 15-20 Liter. Völlig fragwürdig erscheinen die Sprenkelanlagen zur Begrünung, die mancherorts bis zu 50 Prozent des Hotelwassers für sich beanspruchen.
Gerade der »Wassertourismus« zerstört häufig genau das, was die touristische Attraktion ausmacht: Durch ungeklärte Abwässer und chemisch reaktive Ausflüsse der Entsalzungsanlagen erkranken die Korallenriffe. Vielfach ungeklärte Abwässer und Abfälle von kilometerlangen Hotelküsten und vom Kreuzfahrttourismus auf offener See schädigen die Küstenbiotope und belasten die Meere, Algenblüten gefährden den Fischreichtum. Das so genannte Korallenpflücken der Beachboys ist da unerheblich. An manchen Stellen entlang der ostafrikanischen Küste sind bereits bis zu 70 Prozent der Korallen ausgebleicht. Schlimmstenfalls kann bei einer Zerstörung des Riffs die Küste unterspült werden – eine Beeinträchtigung der Landwirtschaft, insbesondere von Reis und Obstbau entlang der Küstenlinie, wäre die Folge. Der Wassersporttourismus sucht sich ständig neue Plätze, während Insel- und KüstenbewohnerInnen vielerorts Einbußen in der Fischerei hinnehmen müssen. Eine Beeinträchtigung der Küstenfischerei wurde für Tansania und Kenia nachgewiesen. Isolierte (Schutz-)Inseln und marine Nationalparks haben dann für die lokale Bevölkerung keinerlei Nutzen, wenn sich rund herum die Qualität der Umwelt verschlechtert: Die Einnahmen aus den marinen Naturschutzparks können die Schäden an der Küste nicht wettmachen.
Mit 476 Milliarden Dollar Einnahmen wird das Feriengeschäft als weltweit stärkster Wirtschaftssektor gehandelt, bei 130 Millionen Beschäftigten als größter Arbeitgeber (WTO 2001). Mit knapp 700 Millionen grenzüberschreitenden Reisen landete der internationale Tourismussektor zum Millennium die höchste Steigerungsrate seit zehn Jahren. Bereits jetzt ist für jedes dritte der Entwicklungsländer der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle.
Die Welttourismusorganisation prognostiziert, ungeachtet der enormen Einbußen mancher Länder infolge von Krisen des Tourismus durch Terrordrohungen und Krankheiten, ein enormes Wachstum der internationalen Touristenankünfte bis zum Jahr 2020. Aufgrund des Aufwärtstrends setzen auch touristisch bislang wenig erschlossene Länder wie Mosambik oder Uganda auf das Geschäft mit den Ferien. Insbesondere Südafrika wird als positives Beispiel hervorgehoben. Erst ein genauer Blick auf die Zahlen verrät, dass in Afrika nur in Einzelfällen relevante Deviseneinnahmen durch Tourismus erzielt wurden. Wenngleich der Tourismus beispielsweise in Subsahara Afrika 55 Prozent des Exports an Dienstleistungen ausmacht, spielt er in vielen Ländern – von den klassischen Safariländern wie Kenia, Namibia oder Tansania einmal abgesehen – als verlässlicher Devisenbringer eine marginale Rolle.
Dessen ungetrübt schwärmen viele internationale Entwicklungsorganisationen vom Tourismus als Instrument zur Finanzierung von Naturschutz oder empfehlen den Ausbau des Tourismus zur Tilgung von Krediten. Und in vielerlei Hinsicht beugen sich die nationalen Regierungen der südlichen Destinationen dem Diktat der von internationalen Gebern empfohlenen oder geforderten touristischen Entwicklungsstrategie – und gerade für arme Länder ist der Tourismus oft das Einzige, was als »Angebot« in die schwierigen Verhandlungen über Kredite oder Marktzugangsrechte eingebracht werden kann. Allerdings erscheint eine pauschale und euphorische Anwendung dieses »Instrumentes« keineswegs gerechtfertigt. Tatsächlich scheitert das Konzept, das neben Deviseneinnahmen zur Schuldentilgung auch noch Gemeindeentwicklung, Armutsbekämpfung und Naturschutz miteinander in Einklang bringen soll, in der Realität allzu oft an seinen Widersprüchen. Auf nationaler Ebene ist ein Verlust an Regulationsmechanismen zu beklagen, wenn etwa IWF und Weltbank ihre Schuldenpolitik an touristische Entwicklung koppeln und empfehlen, ausländische Investoren ins Land zu lassen.
Die Fischer des Archipels Bazaruto vor der Küste Mosambiks verloren teilweise den Zugang zu Wasser und zu Land, seit Naturreservate eingerichtet und von der Regierung Mosambiks Konzessionen an Tourismusprojekte vergeben wurden. Für die zu 70 Prozent von der Artesanalfischerei lebende Bevölkerung sind seit 2001 ganze 30.000 Hektar nicht mehr zugänglich. Mosambik öffnete - gemäß den Anforderungen des Strukturanpassungsprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) – das Land für ausländische Investoren. Einer touristischen Nutzung auch der Naturreservate stehen damit Tür und Tore offen. Entwicklungsprojekte wie diese haben zum Ziel, Schuldenerlass unter der Auflage von Naturschutzmaßnahmen zu realisieren und zugleich Tourismus als neue Einkommensquelle zu propagieren. Dies kann zum Verlust an örtlichen Verfügungsrechten über Land und zu einer weiteren Verarmung der lokalen Bevölkerung führen, wenn sie - wie in Bazaruto - die Naturreservate nicht mehr für ihre Subsistenztätigkeit nutzen kann.
Auch in Tansania erhofft sich der hochverschuldete Staat Devisen aus dem Geschäft mit dem Tourismus. Der Jagdtourismus gilt als besonders lukrativ, da wenige TouristInnen und damit eine geringe Naturbelastung zugleich hohe Einnahmen versprechen. Dieses als low volume - high value bezeichnete Segment brachte beispielsweise Tansania im Jahr 2000 bei nur 0,07 Prozent Touristenanteil immerhin 1,6 Prozent der touristischen Einnahmen und erscheint damit über 20 Mal profitabler als andere Tourismusformen (Vorlaufer 2000). Denn das Reisen in Hemmingways Fußstapfen ist teuer: Tansania kassierte für den Jagdtourismus im Selouse Game Reserve 7.500 US Dollar Saisonlizenz pro Veranstalter, dazu 100 US-$ pro Tag und Tourist an Gebühr und Eintritt plus 750 US-$ pro Woche für die Jagdlizenz zuzüglich der Trophäen-Gebühren. Gemäß dieser Kosten wurden im Jahr 2000 von 210 Touristen 2.000 Tiere für (offiziell) 4,1 Mio US-$ geschossen. Daraus errechnen sich Einnahmen von 19.500 US-$ pro Jagdtourist. Der ansässigen Bevölkerung der rund um das bekannte Selouse Wildreservat liegenden 40 Dörfer mit insgesamt 80.000 EinwohnerInnen stehen pro Dorf drei Büffel und zehn Gnus zur Fleischversorgung zu. Der lokale Marktwert liegt bei 700 bis 1.200 US-$ pro Tier; bei einem Durchschnittspreis von 1000 US-$ und einer zulässigen Rate von 520 Tieren entspricht das einem Wert von 6,5 Dollar pro Einwohner.
Die Diskrepanz zwischen dem Verdienst durch den Jagdtourismus (4,1 Mio US-$ insgesamt und 19.500 US-$ pro Tourist) und dem Äquivalent, das für die Fleischversorgung der Anwohnerinnen – also ihrem direkten Gewinn aus dem Park – berechnet werden kann (0,5 Mio US-$ insgesamt oder 6,5 Dollar pro EinwohnerIn), ist recht groß. Damit bleibt die Frage der Verteilung der Gewinne aus dem Jagdtourismus: Für die Deckung der Kosten des Parkmanagements gehen 50 Prozent der Einnahmen an die Selouse Verwaltung und 25 Prozent an den Wildlife Protection Fund. Weitere 25 Prozent erhält die Staatskasse in Dar es Salam (1998). Ein Rücklauf in die Gemeinden ist kaum zu verzeichnen, abgesehen von ca. 60 – 80 Arbeitsplätzen, die auf die 80.000 Bewohnerinnen der an einem Community Wildlife Management Programme beteiligten, umliegenden Gemeinden entfallen (Vorlaufer 1999).
Langfristig sei das Ziel, 70 Prozent der Gebühren den Gemeindeverwaltungen direkt zukommen zu lassen. Doch derzeit bleibt für die Bevölkerung kaum ein Gewinn (6,5 US-$ pro Kopf gegenüber 19.500 US-$ staatlicher Einnahmen pro Tourist). Ein kleiner Trost angesichts der Tatsache, dass ca. 40.000 Menschen von der damaligen Kolonialverwaltung aus dem Selouse vertrieben wurden und die Rechte an der Nutzung des Landes – wenngleich vor langer Zeit – durch den naturgeschützten Status des Wildreservats verloren. Heute benötigt der tansanische Staat seinerseits die touristischen Devisen zur Schuldentilgung.
Wie die Verwicklungen (öko)touristischer Projekte mit der Schuldenpolitik zeigen, gewinnen nationale und internationale Akteure an Macht und Einfluss und verknüpfen vermeintlich »nationale« Interessen mit dem Tourismus, die den Anliegen der lokalen Akteure oft entgegenstehen. Die Handlungsspielräume der Menschen in den Destinationen werden so immer enger. Ganz ungeachtet des offiziellen Bemühens, partizipative Konzepte zum Bestandteil der neuen Tourismusplanung zu machen, wird den lokalen Gemeinden oft die rechtliche Grundlage entzogen, an der Tourismusplanung zu partizipieren oder ihre eigenen Optionen von Entwicklung zu gestalten. Die Welttourismusorganisation hat das Vokabular derer, die um die Rechte der lokalen Bevölkerung in touristischen Vorhaben bangen und eine gemeindebasierte Entwicklung fordern, längst aufgegriffen und integriert den »community-based tourism« rhetorisch in ihre Konzepte. Wie neu und fremd der Gedanke eines empowerment und einer »Entwicklung von unten« letztlich gerade den großen Entwicklungsagenturen ist, die das Verschreiben von Rezenten gewohnt sind, wird in der jüngsten Ausgabe der WTO News deutlich: Wo es eigentlich um community-based tourism gehen soll, ist plötzlich von »...the management of tourism-based communities« die Schreibe (WTO News , 1st issue 2004).
Unausweichlich stellt sich die Frage, inwieweit internationale Schuldenpolitik als Motor für eine touristische Erschließung agiert, die unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes auftritt. Offensichtlich jedenfalls ist, dass – bedingt durch die internationale Schuldenpolitik und infolge des Ringens der Entwicklungsländer um Kreditwürdigkeit – Interessenkonflikte zwischen lokalen und nationalen Ansprüchen an der biologischen Vielfalt und an Land resultieren.
Die lokalen Akteure stehen häufig zwischen den Fronten der ausländischen Investoren und der an Devisen interessierten, zudem hoch verschuldeten Länder. Oft genug locken die Regierungen per Steuerbefreiung oder anderen Zugeständnissen Fremdkapital ins Land. Diejenigen Länder, die Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) sind, müssen aufgrund ihrer Verpflichtungen bezüglich einer Liberalisierung des Tourismus im Rahmen des WTO-Dienstleistungsabkommens (GATS) fremden Investoren die gleichen Rechte wie inländischen Anbietern gewähren: Eine Förderung inländischer gegenüber ausländischen Tourismusunternehmen im Sinne einer Stärkung der lokalen oder nationalen Wirtschaft wird über das so genannte Prinzip der Inländerbehandlung ausgeschlossen. Auch darf die Beteiligung von Fremdkapital an einheimischen Unternehmen nicht länger staatlich reglementiert, also begrenzt werden. Seit 1995 haben über 120 der 143 Mitgliedsstaaten mindestens einen (von vier) im GATS definierten Tourismus- und Reisedienstleistungen liberalisiert, sind also Verpflichtungen zum Abbau von Handelsbeschränkungen eingegangen. So kann das freie Marktzugangsgebot des GATS zur bedingungslosen Öffnung aller Grenzen für touristische Investoren führen. Dieser Prozess bewirkt zwar statistisch weltweit eine Beschleunigung des touristischen Wachstums. Zugleich verringern sich aber für Entwicklungsländer die Chancen, an den Fernreisenden zu verdienen. Das Ungleichgewicht unter den Anbietern, die zum überwiegenden Teil aus den Industrieländern kommen, lässt sich nicht aufheben (Unternehmenskonzentration) und die Tatsache, dass quasi jede Feriendestination mit jeder anderen in Konkurrenz steht, verleitet zu Preisdumping, auch auf Kosten der Umwelt und der sozialen Belange.
Die internationalen handels- und finanzpolitischen Verpflichtungen kommen weniger den lokalen Akteuren als vielmehr den global agierenden Investoren auf ihrer Suche nach neuen attraktiven Kulissen und billigen Zulieferern für ihr Feriengeschäft zugute. Um im globalen Wettbewerb mit anderen Anbietern mithalten zu können, drücken sie die Preise. Der enorm hohe Luxus vieler Reiseangebote und das globale Konkurrenzgeschäft veranlassen touristische Unternehmen, sich an Standards im internationalen Vergleich zu orientieren. Denn die Ansprüche der Fernreisenden auf Schnäppchensuche gelten als unausweichliche Diktate. Von den Tourismusministerien und den großen Veranstaltern werden naturnahe Landschaften ebenso wie kulturelle Leistungen als Standortvorteil der Destination definiert. Die Angebote werden preislich so berechnet, dass sie ihrerseits auf einem globalen Markt mit internationalen Standards und Niedrigpreisen mithalten können.
In den touristischen Einnahmen, die in den Statistiken der Tourismusministerien und der WTO auftauchen, sind jedoch in aller Regel die nationalen Ausgaben durch den Tourismus und die Teuerungsrate dieser Kosten nicht berechnet: Infrastrukturausbau wie Flughafen- und Straßenbau, Energie- und Wasserversorgung und zunehmend auch Sicherungsmaßnahmen - insbesondere in Kenia, Ägypten und Tunesien - kosten die Länder oftmals ein Vermögen. Die so hoffnungsvoll klingende Wachstumsstatistik der WTO verrät eben nur, wonach sie gefragt wird. In den kumulierten Wachstumszahlen sind die Risiken und möglichen Ausgaben durch den Tourismus nicht enthalten. Sechs wesentliche Faktoren, die eine erträgliche touristische Entwicklung behindern, sind die so genannten Sickerraten: Infrastruktur-Kosten, Ausgaben für die Einfuhr von Luxusgütern und Baumaterial, Kredite und Währungsverfall, die Vernichtung von Arbeitsplätzen im Subsistenzbereich und im informellen Sektor, zudem der nicht unerhebliche Devisenabfluss durch ausländische Unternehmen. Unterm Strich bleibt für die Bevölkerung und die Staaten oft nur wenig übrig.